Christina Rinkl vom Kölner Stadt-Anzeiger hat uns im Laden besucht und diesen tollen Artikel über uns geschrieben. Viel Freude beim Lesen:
Köln –
Dass ich heute morgen meine Sandalen angezogen habe, war keine gute Idee. „Wenn etwas aus dem Regal herunter fällt auf ihren Fuß, kann das ein Problem werden“, sagt Brigitte Riester mit freundlichem Ton.
Individuelle Produkte
Okay, die Chefin hat Recht. Ich plane, mich in der Mittagspause umzuziehen und widme mich erstmal wieder dem vollgedruckten Din-A4-Blatt – meine erste Aufgabe während meines Praktikumstags im Einzelhandel. Ich suche den Agavendicksaft. Und das Himalaja-Salz. Und das Bio-Curry-Ketchup. Ah ja, hier steht es ja auf der Liste. Ich mache ein Häkchen dran. Es ist kurz nach 8 Uhr morgens und jeden Dienstag kommt im Genießerladen „Herr Riester“ in Kerpen-Horrem neue Ware an. Und die muss kontrolliert werden.
Irgendwann steht hinter jedem Produkt ein Haken – alles da.
Jetzt geht es ans Einräumen. „Die neue Ware kommt nach hinten ins Regal, die Bestandsware nach vorne“, erklärt mir Brigitte Riester. Und auch, dass die Hauptarbeit im Laden aus dem Herrichten und Drapieren der Waren besteht. Und aus Putzen. Um mich herum wirbeln zwei Frauen, die beiden Angestellten. Jede trägt eine braune Schürze, ich inzwischen auch. Mit schnellen, geübten Handgriffen räumen sie Salate und Tomaten in die Holzkisten, danach fegen sie den Boden sauber.
Eine von ihnen hat im Laden ihre Ausbildung gemacht und arbeitet seitdem täglich hier. „So jemanden suchen wir jetzt wieder“, sagt Brigitte Riester. Der oder die Auszubildende sollte jemand sein, der oder die sich für gutes Essen und Bio-Produkte begeistert. Und gerne auch Fähigkeiten in Social-Media-Aktivitäten mitbringt.
Schon nach einer halben Stunde im Geschäft wird mir klar: Am wichtigsten ist der Kontakt zu den Kunden. Viele Menschen, die in den Bioladen kommen, freuen sich nicht nur auf eine Flasche guten Rotwein, auf den veganen Brotaufstrich oder auf die fair gehandelte Viana-Schokolade, sie freuen sich auf ein kurzes, herzliches Gespräch mit den Geschäftsführern, mit Herr oder Frau Riester.
Und sie brauchen handfeste Tipps: „Welches zuckerfreie Müsli kann ich für meinen Sohn kaufen?“ Oder „Welcher Käse passt zu welchem Wein?“ Der Laden mit den gut bestückten, hohen Holzregalen in Bahnhofsnähe wirkt wie eine entspannte, gemütliche Oase guten Essens und Trinkens. Thomas Riester backt Quiche mit Spinat und Ziegenkäse, während eine Stammkundin am großen Holztisch ihren Cappuccino trinkt. Die sich immer schneller drehende Welt bleibt draußen, zumindest für die Zeit des Einkaufs.
„Uns ist klar, dass die Ausbildung im Einzelhandel bei anderen, etwa bei einem Discounter, völlig anders aussieht als bei uns“, sagt Thomas Riester, der ursprünglich in der Modebranche tätig war und danach sein Hobby, Genuss und gutes Essen, zum Beruf gemacht hat. Eine kaufmännische Ausbildung im Fachbereich Naturkost biete viele Aufstiegschancen. In diesem Berufszweig gäbe es noch viel zu wenige gut ausgebildete Fachkräfte, sie werden händeringend gesucht, gerade für leitende Tätigkeiten.
Die Riesters betreiben ihren Laden seit 15 Jahren in Horrem. Zwischenzeitlich hatten sie auch eine Dependance im Belgischen Viertel. Von morgens bis abends stehen sie im Geschäft – ihrem Lebenswerk. Etwa die Hälfte ihrer Waren verkaufen sie als Geschenk.
Das weiß auch ein Vertreter für hochwertige Speiseöle aus Italien, der heute Vormittag hier einen Termin hat und sein Zwiebel-Öl, edlen Essig und eingelegte, getrocknete Tomaten an den Mann und zuerst hier in die Regale bringen will.
Ich dippe kleine Stückchen Dinkelbrot in 15 verschiedene Öle und verkoste. Na, wenn das mal kein Traumjob ist. Frau Riester sitzt neben mir und verhandelt. Dabei muss sie ihr komplettes Sortiment im Kopf haben: „Essig brauchen wir nicht, aber ein paar von den Ölen nehmen wir“.
Später zeigt sie mir die kleine Küche. Ich schäle ein paar Kartoffeln für den Salat, der anschließend an der Theke verkauft wird. Dann erklärt sie mir noch das Computerprogramm, in dem alle Waren erfasst sind.
„Viele kennen unseren Laden von außen, trauen sich aber nicht rein“, sagt sie. Und dass viele Kunden erst zu ihnen kommen, wenn sie krank sind. Wenn sie erkennen, wie wichtig gute Ernährung ist.
Brigitte Riester hat lange als Ernährungsberaterin gearbeitet. Auch heute Nachmittag hat sich ein Ehepaar angekündigt, das sich künftig basisch ernähren möchte. Die Geschäftsführerin gibt Tipps: Morgens ein vollwertiges Müsli, etwa mit Erdmandelflocken, mittags Gemüse mit Fisch und abends eine Gemüsesuppe. Ist das noch Einzelhandel oder schon Lebensberatung? Und: Kann sich das rechnen?
Freitags und samstags wird es voll im Laden, das sind die Hauptumsatztage. Dann kaufen die Leute ihre Schlemmereien fürs Wochenende ein. Und auch heute wird Umsatz gemacht: Manche Kunden kaufen nur ein paar Pilze und einen kleinen Salatkopf, ein anderer Kunde legt 80 Euro für mehrere Gläser Honig auf den Tisch. Der Duft von frischer Tarte Tatin weht über die Regale aus Bio-Holz und ich denke mir: Bräuchte ich noch einen Ausbildungsplatz, ich würde mich glatt bewerben.
www.herr-riester.de
– Quelle: http://www.ksta.de/24502168 ©2016